Bei der Wahl Roms mag der Umstand eine Rolle gespielt haben, dass Hans Platschek dort im Jahr 1962 eine Einzelausstellung in der Galleria Libreria Einaudi bekommen hatte sowie weitere Ausstellungen in Italien im selben Jahr (in Florenz und Verona). Ein weiterer Grund für die „Übersiedlung“ waren laut Platschek „steuertechnische Ursprünge“, wie er einem Freund im Januar 1964 gestand; er sehe nicht ein, dass er als Künstler Steuern an den Staat zahlen solle. Darunter fügte er als Postskriptum ein: „Brief verbrennen oder aufessen!! Niemanden [sic] davon erzählen!! Niemanden [sic]!!!!“ Das war auch eine Erklärung dafür, dass Elsner und Platschek sehr zurückgezogen, quasi inkognito, in Rom lebten und unter sehr bescheidenen finanziellen Bedingungen. Noch im April 1964 schrieb Platschek an einen Freund, er wäre froh, wenn er ein „Gespenst bannen könnte, das mich vorerst etwas beängstigt: Schmalhans als Küchenmeister.“
Doch mit der Ruhe und Zurückgezogenheit sollte es schon kurz darauf vorbei sein, als nämlich bekannt wurde, dass Gisela Elsner für ihren Erstling Die Riesenzwerge (1964) den europäischen Literaturpreis Prix Formentor erhalten sollte. Im Juli 1964 fasste Hans Platschek die Situation folgendermaßen zusammen:
„Da war die Hölle los, nach Giselas Preis. Von Salzburg nach München […], dann Zürich, dann Rom, wo Tag für Tag mindestens zehn Journalisten auftraten, fragten und photografierten, sodass wir die Flucht ergriffen […].“
Es war die italienische Presse, die die ersten umfassenden Interviews mit der Autorin veröffentlichte – Hans Platschek fungierte als Übersetzer, da Elsner kaum Italienisch sprach. Und die italienische Presse prägte auch den Vergleich mit Cleopatra à la Liz Taylor, der Elsner ein Leben lang begleiten sollte als „schreibende Kleopatra“.
Im März 1959 hatte Gisela Elsner ein erstes Kapitel ihres Episoden-Werkes Die Riesenzwerge fertiggestellt: „Die Hochzeit“. Die konzentrierte Arbeit an den weiteren neun Episoden fällt in die Zeit, da die Autorin bereits mit Hans Platschek zusammenlebte. Vor diesem Hintergrund lassen sich Die Riesenzwerge auch als Auseinandersetzung mit den Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen Literatur und bildender Kunst lesen.
Weitgehend unbekannt ist die Tatsache, dass Hans Platschek sich mit Elsners Erstling künstlerisch auseinandersetzte. Er fertigte 1964 einen Zyklus von mindestens fünf Gouachen zu Die Riesenzwerge an, dessen Titel Lothar Leinlein schreibt an Gisela lautet und die in Anlehnung an verschiedene Kapitel des Romans betitelt sind.
Neben Die Riesenzwerge sind auch spätere Werke Elsners von den kunstkritischen Auseinandersetzungen mit Hans Platschek geprägt.
Obwohl sich Elsner und Platschek nach ihrer Trennung 1976 so gut wie vollständig aus ihren Biografien gestrichen hatten, setzte die Autorin dem Maler Anfang der 1980er Jahre in ihrem Roman Abseits ein literarisches Denkmal, das gleichzeitig einer Abrechnung gleichkommt. Die dort beschriebene Figur des Malers Fred Meichelbeck entspricht nicht nur von ihrer Physiognomie her Hans Platschek, sondern auch in vielen weiteren Details. So spielt Elsner nicht allein auf Platscheks jüdische Abstammung an, sondern macht sich auf ihre satirische Art auch über dessen andauernde Erfolglosigkeit auf dem Kunstmarkt lustig.
„Fred Meichelbeck war ein schmalschultriger, schmächtiger Mann, der lediglich dank seiner erhöhten Absätze mittelgroß wirkte. Seine ungewöhnliche Dürrheit verbarg auch sein hocheleganter hellgrauer Flanellanzug nicht, den er sich allem Anschein nach von einem der Honorare erworben hatte, die er für die kunstkritischen Essays erhielt, die er für verschiedene Rundfunkanstalten zu verfassen pflegte. Mit diesen kunstkritischen Essays hielt er sich, weil er seit Jahren keine Bilder mehr verkaufte, über Wasser. […] In seiner ganzen Wohnung hingen dicht nebeneinander bis zu zwei mal zwei Meter große Leinwände voller schwarzer brezelförmiger Kringel. In seinem Atelier standen sie aneinander gestapelt an den Wänden. […] Den Rest der Produktion stapelten sein Kunsthändler in M. [dabei handelt es sich um eine Anspielung auf Otto van de Loo und seine Galerie in München] und sein Kunsthändler in Lion [sic!] in ihren Kellern. Beide hatten seit über zehn Jahren kein einziges Bild mehr von ihm verkauft. Beide warteten auf den Tag, an dem man mit abstrakter Malerei wiederum Furore machen konnte. Beide ermunterten Fred Meichelbeck, der ab und zu wegen seines ungemeinen Mißerfolgs an sich selber irre wurde und sporadisch überaus ungeschlachte gegenständliche Bilder zu malen begann, bei der Stange zu bleiben. […] Dafür, daß seine künstlerischen Produkte weitgehend ignoriert wurden, rächte sich Fred Meichelbeck mit seinen kunstkritischen Essays, in denen er bald gallenbitter, bald hohnstrotzend über die prominenten Kunstkritiker des Landes und über seine erfolgreichen Kollegen herzog.“
(Gisela Elsner: Abseits, Reinbek bei Hamburg 1983, S. 52-55)
Die satirische Beschreibung hinderte Elsner allerdings nicht daran, auch hier wieder Erkenntnisse aus Platscheks kunstkritischen Essays einzuflechten.
Die hier beispielhaft angeführten Überschneidungen, Anknüpfungspunkte und Bezugnahmen auf ganz unterschiedlichen Ebenen weisen auf einen intensiven Austausch Gisela Elsners und Hans Platscheks hin, der bisher weder von Seiten der Literaturwissenschaften noch in der Kunstgeschichte Beachtung fand. Dass der Dialog mit Elsner das Werk Hans Platscheks auch über die erwähnten Gouachen zu Die Riesenzwerge hinaus beeinflusst hat, liegt auf der Hand. Schaut man sich einige seiner späteren Platscheks an, in denen er sich der gegenständlichen Malerei zuwandte, dann lassen sich in den Darstellungen (klein-)bürgerlicher Szenen Entsprechungen zu Elsners Gesellschaftssatiren der 1970er Jahre finden. Manche von Platscheks Bildern wirken fast so, als wären sie als Abbildungen oder bildliche Kommentare zu Elsners Romanen gedacht, etwa für Das Berührungsverbot (1970).
In einem NDR-Fernsehinterview mit Elsner, das 1970 nach der Rückkehr des Paares aus London in der ersten Hamburger Wohnung in der Rothenbaumchaussee 144 stattfand, liest Elsner aus ihrem Roman Das Berührungsverbot, und im Hintergrund sieht man an den Wänden einige der gegenständlichen Gemälde Hans Platscheks – ein treffendes Bild für die Synergien zwischen Malerei und Literatur.